Feurig und würzig
Betritt man eine Karibische Küche, so steigt der Duft nach Piment, Zimt, Gewürznelken und Muskat in die Nase. Aber das ist längst nicht alles: Gelbwurz, Ingwer, Pfeffer, Chilischoten, Paprika, Lorbeer und Curry stehen auf den Regalen bereit, um mit großzügiger Hand eingesetzt zu werden. Vor allem Grenada mit seinem milden Klima und den vulkanischen Böden ist ein regelrechtes Gewürzparadies; die Muskatnuss ziert sogar die Flagge des Inselstaats.
Karibische Speisen werden generell sehr scharf gewürzt; dafür sorgen vor allem Chilischoten in allen Farben und Formen. Scotch Bnnet (habanero) kann es an Feurigkeit mit allen anderen Pfefferschoten aufnehmen und bereichert jede Pfeffersauce mit ihrem speziellen Aroma. Der Pfeffertopf, ein scharfer Pfeffer-Fleisch-Eintopf aus Trinidad, wurde schon von den indianischen Ureinwohnern zubereitet. Je länger er auf dem Feuer steht, desto schmackhafter wird er. Hinein kommen Fleisch nach Angebot, Ochsenschwanz und der bittere und zugleich süße Kassavesaft (cassareep). Gewürzt wird mit Thymian, Chilischoten, Zucker, Zimtstangen und Gewürznelken.
Noch immer versorgt Jamaika Länder auf der ganzen Welt mit Piment (Jamaikapfeffer). Diese geschmackliche Fusion von Gewürznelke, Zimt und Muskat wird in Fisch- und Fleischgerichten verwendet; das Pimentolz eignet sich hervorragend zum Grillen.
Aus den roten, dreieckigen Annattosamen wird das Annattoöl gewönnen, mit dem sich einst die Indianer einst die Haut zum Schutz vor Insekten und der sengenden Sonne einrieben. Heute werden die Annattosamen als Gewürz verwendet, sie sind wesentlicher Bestandteil der karibischen Würzmischung sofrito. Zusammen mit cilantro (langer Koriander), grünen Pfefferschoten, Zwiebeln, Knoblauch, Oregano und Paradeisern verleiht der „karibische Safran“ vielen kubanischen und puertoricanischen Gerichten einen typischen Geschmack.
Red oder green sofrito werden für arroz con gandules (gebratener Reis mit Straucherbsen und geräuchertem Schinken), Gemüsegerichte oder auch asopao (Reistopf mit Fisch, Huhn oder Krabben) verwendet.
Auf Puerto Rico würzt man auch mit adobo, einer Mischung aus Pfefferkörnern, Oregano, Knoblauch, Salz, Öl und Zitronensaft. Ähnlich wird das kubanische mojo bereitet; anstelle der Zitronen sorgt der Saft von sauren Orange für den frischen Geschmack.
Im spanisch geprägten westlichen Teil Kubas werden Speisen gern mit alcaparrado, einer süß-sauren Mischung aus Oliven, Rosinen und Kapern gewürzt.
Im östlichen Kuba regiert die Criollo-Küche (Kreolische Küche), deren Speisen weit weniger scharf gewürzt sind wie in den anderen Regionen der Karibik.
Gemüsemeuterei
Das reichhaltige Gemüseangebot macht die Grundlage der karibischen Küche aus. Unter bunten Sonnenschirmen wird auf den Märkten frisches Gemüse angeboten, so vielfältig und farbenfroh wie die Verkäuferinnen, die sie anpreisen.
Reis mit Erbsen oder roten Bohnen wird auf allen Inseln zubereitet. Auf Jamaika kocht man Reis und Erbsen in Kokosmilch; auf Kuba werden Reis und schwarze Bohnen unter dem Namen Moros y cristianos (Mohren und Christen) serviert. Gibt man noch Gemüsebananen, Schweinefleisch, Maniok und Süßkartoffeln dazu, hat man bandera dominica vor sich, das Nationalgericht der Dominikanischen Republik. Die Farben des Gerichts repräsentieren die Landesfarben.
Die Brotfrucht punktet zwar nicht mit herausragendem Eigengeschmack, lässt sich aber gut gewürzt für die Zubereitung vieler Gerichte verwenden und ist ein sättigendes Grundnahrungsmittel. Die Frucht war auch Auslöser für die legendäre Meuterei auf der Bounty, denn Kapitän Bligh gönnte das kostbare Trinkwasser nur seinen Brotfruchtschößlingen, denen die Expedition in die Südsee galt, und verweigerte es seiner Mannschaft.
Auf einem immergrünen Baum wachsen aki (ackee). Die länglichen, eiförmigen Früchte mit der roten Schale, gelbem Fruchtfleisch und den großen schwarzen Kernen haben sich nur auf Jamaika eingebürgert und werden vor allem mit Stockfisch serviert.
Die indischen plantains (Gemüsebananen) zählen zum Gemüse, da man sie erst kochen muss, damit sie genießbar werden. Die noch grünen Gemüsebananen werden wie Erdäpfel als Beilage verwendet oder zu einem Aufstrich verarbeitet; die reifen Bananen werden z. B. in Puerto Rico als piononos zubereitet: Dafür werden die Bananen in Streifen geschnitten und gebraten, um eine Fleisch-Käse-Mischung gewickelt, in verquirltes Ei getaucht und herausgebraten.
Hinter dem Namen accras (cala/akkra) verbergen sich kleine Beignets aus chadron (weißem Seeigel), christophene (birnenförmiger Kürbis) oder Erbsen oder Bohnen. Die Masse wird mit Chilischoten gewürzt und vor dem Herausbacken fein püriert.
Bacalaitos heißen die würzigen Stockfischbeignets; die begehrten polouris werden aus geschrotetem Erbsenmehl, Safran, Mehl und Salz zubereitet.
Auf Martinique darf der halbe Gemüsegarten in die soupe á Congo: verschiedene Bohnen- und Erbsensorten, Melanzani, Jamswurzel, Gewürznelken, Zwiebel, Karotten, Kohl, Avocado, Knoblauch, Okraschoten, grüne Bohnen, Chilischoten, Süßkartoffeln und zu guter Letzt ein Schweineschwanz.
Falls Sie Ihre Reise nach Barbados führt, probieren Sie coo-coo, einen gedeckten Maismehlkuchen mit gombo.
Von oben betrachtet: Wurzeln und Knollen
Ein großer Teil des Gemüseangebots wächst in der Karibik unter der Erde: Kassave (auch Yucca oder Maniok) war das Hauptnahrungsmittel der karibischen Indianer. Die stärkehaltige Knolle wird ähnlich wie Erdäpfel zubereitet. Gekocht und gewürzt mit Salz, Pfeffer und Limettensaft wird sie zur Beilage. Zu Mehl gemahlen entsteht daraus das flache runde Brot, das auf allen karibischen Inseln verbreitet ist. Sowohl die bittere als auch die süße Kassavewurzel speichert eine gewisse Menge Blausäure, die jedoch durch Auswaschen oder Kochen beseitigt wird.
Bei den weißen, roten oder gelben Jamswurzeln bilden sich die neuen Früchte aus den alten Wurzeln. Ein Symbol für das Wiedererstehen, und so werden sie auf Haiti sogar bei Voodoo-Ritualen gesegnet.
Das weiße Fleisch der Tarowurzeln erhält durch das Kochen eine violette, grüne oder graue Farbe. Aus den Taroblättern (callaloo), ähnlich dem Spinat, wird die gleichnamige Suppe zubereitet. Die grüne Suppe aus gombo (Okraschoten), Schweinefleisch, Krebsfleisch und Taroblättern schätzt man besonders auf den französischen Inseln Die Empfehlung in einem Kochbuch lautet, diese Suppe auf einem Stein sitzend und mit den Füßen im Wasser baumelnd zu essen. Auf Trinidad und Tobago wird callaloo meist mit mariniertem Stockfisch serviert.
Tafelfreuden aus dem tropischen Meer
Ob stürmischer Atlantik auf der einen Seite oder ruhiges karibisches Meer auf der anderen: Der Weg zum Meer ist niemals weit und entsprechend häufig finden sich Fische und Schalentiere auf den Tellern wieder. Die Fischer verkaufen die gefangenen Goldmakrelen, Barsche, Meeräschen und Fliegenden Fische oft gleich aus dem Boot heraus.
Bis zu 30 cm lang werden lambi (Meeresschnecken). Erst nach ausgiebigem Klopfen - daher stammt auch die Redewendung: „Er schlug ihn wie einen lambi“ - wird das Fleisch herrlich zart.
Langusten liebt man nicht nur auf Guadeloupe: Die Kubaner bereiten langosta enchilada (criolla) zu, indem der Schwanz kurz gebraten und aus der Pfanne genommen wird. Aus dem Bratsaft, Paradeisern, Weißwein, Zwiebeln und Pfefferschoten wird eine Sauce bereitet, in dem die Langusten dann noch kurz garen. Langusten dürfen auch im locrio, der karibischen paella, nicht fehlen, die in der Dominikanischen Republik zubereitet wird.
Auf Martinique kündigt sich das Essen akustisch an: Blaff. Der lautmalerische Name bezeichnet das Geräusch, wenn der Fisch ins kochende Wasser geworfen wird. Für blaff eignen sich die meisten Fischarten. Piment, Petersilie, Knoblauch, Gewürznelken und Zwiebel werden mit Wasser aufgekocht, der Fisch wird nur kurz darin geköchelt. Gewürzt wird schließlich noch mit Limonensaft und Chili. Chili kommt auch bei der Zubereitung von court bouillon á la créole nicht zu kurz. Der Fisch wird mit Limonensaft und Chilischoten mariniert, gebraten und mit Paradeisern, Zwiebeln und noch mehr Chili gedämpft. In den Fischeintopf sopito (auf Aruba und Curaçao) kommen neben Kokosmilch und Fisch auch Rind- oder Schweinefleisch, Paradeiser, Knoblauch, Pfefferschoten, Obers und Gewürze. Auf Curaçao wird sopito meist mit funchi (Polentaknödeln) serviert.
Schnell auf die Hand gibt es am Strand oder im Straßenverkauf Bake and Shark, gebackenen Haifisch mit Koriandersauce oder scharfen Saucen in einem Brötchen. Berühmt für diesen Haifischsnack ist die Maracas Bay an der Nordküste Trinidads.
Die Landkrabben erhalten drei Tage vor dem Zubereiten eine strenge Diät. Gemästet und durchgeputzt werden sie in einer Sauce aus Knoblauch, Olivenöl, cilantro und Paradeisern zubereitet; bei crabes farcis genießt man die Krabben gefüllt; bei calalou Krabbensuppe mit Paradeisern und gombos.
Hauptsache Huhn
Fleisch spielt hauptsächlich auf den von den Spaniern kolonialisierten Inseln eine größere Rolle. Auf Kuba kann lässt sich sogar „alten Klamotten“ (ropa vieja) einiges abgewinnen. Der gleichnamige Eintopf aus Rindfleisch, Zwiebeln, cilantro, Paradeisern, Pfefferschoten und den rot färbenden Annattosamen hätte geschmacklich einen einnehmenderen Namen verdient.
Kleine Hühnerstückchen werden für chicarrones de pollo mit Limonensaft und Sojausauce mariniert, mit Mehl bestäubt und frittiert, eine Spezialität Kubas und der Dominikanischen Republik. Auf Guadeloupe und Martinique zieht man Hühnchen in einer Kokosnuss-Sauce vor. Überhaupt gehören Hühnchen - in welcher Zubereitungsart auch immer - zu den Lieblingsspeisen auf allen karibischen Inseln. Die Vorliebe für das Geflügel hat aber nicht nur kulinarische Ursachen, sondern auch wirtschaftliche: Die großteils arme Bevölkerung der Inseln kann sich kaum Rindfleisch, Fisch oder Meeresfrüchte leisten. Viele Menschen auf dem Land halten sich aus diesem Grund Hühner oder Schweine; in den Städten kann sogar die Wohnung ein Ort der Koexistenz zwischen Mensch und Nutztier werden.
Auf den französischen Inseln Martinique und Guadeloupe weiden Schafe auf den weiten sanften Hügeln. Man brät das Lamm am Spieß (Mechoui) nach Art der algerischen Siedler. Bei pâté en pot kommen alle verwertbaren Teile des Schafs fein gehackt in den nämlichen Topf und werden mit Knoblauch, Gewürznelken, Thymian, Lorbeer, Sellerie und natürlich Chili gewürzt.
In der Dominikanischen Republik gehört wild wachsender Oregano zur täglichen Mahlzeit der Ziegen und würzt das Ziegenfleisch schon vorab. Mit mondongo, einem Eintopf aus Innereien, versucht man in der Dominikanischen Republik einen Kater zu vertreiben. Der sanchoco stammt vom spanischen cocido ab, ein dicker Eintopf aus Fleisch nach Wahl, Gemüsebananen, Chilis, Kassavewurzeln, Süßkartoffeln, Jamswurzel und lerenes, eine Knollenfrucht. Catibas, mit Fleisch gefüllte herausgebackene Teigtaschen aus Maniokmehl, gehören zu den wenigen übrig gebliebenen kulinarischen Zeugnisse der Tainos, der dominikanisches Ureinwohner.
Auf Jamaika werden jerk chicken (pikant marinierte Hühnerschenkel) und jerk pork in Jerktonnen (Ölfässern) gegrillt. In der traditionellen Variante der afrikanischen Sklaven, die vor den englischen Kolonialherren in die Wälder geflohen waren, wurden die Fleischstücke gewürzt, in Gemüsebananenblätter eingewickelt und in einem mit glühenden Steinen ausgelegten Erdloch gegart.
Dass hervorragender Rum untrennbar mit den Karibischen Inseln verbunden ist, ist nichts Neues. Dass der jamaikanische Schweinsbraten Calypso seine knusprige Glasur durch das Bestreichen mit Rum, braunem Zucker, Ingwer und Knoblauch erhält, ist schon weniger bekannt.
Die Küche Curaçaos ist spanisch geprägt, denn recht spät kam die Insel unter holländische Herrschaft. Die kulinarische Beweisführung heißt stobá, ein fantastischer Eintopf aus Ziegen- oder Lammfleisch, Sellerie, Limonen, Gurken, Kapern, Kreuzkümmel, Kapern, Chili, Ingwer und Oliven. Mit keshy yena macht sich die holländische Seite bemerkbar: ein großer ausgehöhlter Edamer-Käselaib wird mit Hummerkrabben- oder Rindfleisch, Oliven, Paradeisern und Zwiebeln gefüllt, mit dem Käsedeckel verschlossen und im Backrohr gegart.
Boudin créole, würzige heiße Blutwurst, wird auf vielen Inseln angeboten. Blutwurst und Schweinshaxe sind unter dem Namen Pudding and Souse ein klassisches Sonntagsmahl auf Trinidad und Barbados. Ein Genuss steckt hinter den conkies, die auf Barbados zubereitet werden: Täschchen aus Bananenblättern, gefüllt mit gehackten Fleischstückchen, Rosinen und Kokosnuss.
Für ein traditionelles indianisches barbacoa werden Fleischstückchen auf einem Rost aus grünen Zweigen über einem Feuer aus Pimentholz gegrillt; der aufsteigende Rauch verleiht dem Gegrillten ein besonderes Aroma. Der Name Barbecue kommt sicherlich nicht von ungefähr.
Paradiesische Fülle: Karibische Früchte
Nicht verwunderlich, dass Kolumbus beim Anblick der üppig bewachsenen Karibischen Inseln glaubte, im Paradies gelandet zu sein. Zitrusfrüchte, Bananen, Stachelanonen, Guaven, Granatäpfel, Sternäpfel, Sapotillen, Kakaobohnen, Jackbaumfrüchte, Cashewnüsse und viele andere Früchte gedeihen auf den Inseln. Die Ananas wurde zum Liebling der Kolonialisten, ihre Begeisterung für die „ distelige“ Frucht fand sogar in der Architektur Niederschlag.
Freunde der Mango freuen sich über die unglaubliche Vielfalt der süß-aromatischen Frucht. Aus den noch grünen Mangos wird Mango-Chutney hergestellt, eine pikante Beilage für Fleischgerichte und vieles mehr. Eine Zubereitungsart sei stellvertretend für viele angeführt: Die Mangostückchen werden mit Ingwer, Piment, Knoblauch, Chili, Tamarinde, Limettensaft, Salz und Chili gekocht und kalt gestellt. Die vielen Chutneys und Relishes sind ostindischen Einflüssen zu verdanken.
Papayablätter werden als Gemüse zubereitet; die grüne Papaya wird gekocht, die reife roh gegessen. Die „Engelfrüchte“ enthalten das Enzym Papain, das Fleisch mürbe macht.
Aus Tamarinde wird ein zuckerhaltiges Getränk hergestellt; die Bäume dienen als Schutz vor Hurricans.