Terroir ist zwar mit den Sinnen erfassbar, wissenschaftlich aber nur zum Teil messbar – eine Synthese von Klima, Boden und Winzer. Genussvoll wird diese Synthese im Wein, der in der Lage sein soll, von seiner Herkunft zu „erzählen“. Das sollte daran erinnern, dass lange vor der Bewertung des Traubenmostes nach Zuckergraden (germanisches Verständnis) im Bereich Österreich die Herkunft (romanisches Verständnis) wichtiger war. So trank der Kaiser nicht “österreichischen“ Wein, sondern konnte aus einer Vielzahl an herkunftstypischen Weinen wählen, war doch die Monarchie der drittgrößte Weinproduzent der Welt. Im Kleinen spiegelt Österreichs Weinwirtschaft heute diese Vielfalt wider und mit dem DAC-Gedanken erlebt die Herkunftstypizität eine erfreuliche Renaissance.
Die Veränderung des Geschmacksbildes und die Weiterentwicklung der Technologie haben dazu geführt, dass Weine im internationalen Vergleich heute nicht mehr leicht erkennbar und einer bestimmten Region zuzuordnen sind. Winzerinnen und Winzer müssen vielseitig sein – als Vegetationskundler, Erdwissenschaftler, Biochemiker, Kommunikationstalent und Botschafter angewandter Geoökologie.
Was gehört nun zum Terroir? In Kurzform zusammengefasst, die Synthese aus Lage (Meereshöhe, Neigungsrichtung und –winkel, morphologische Position), Klima (Makro- und Mesoklima der Region bis zum Mikroklima des Rebstocks und der Beeren), Boden (physikalische, chemische und biologische Komponenten). Dazu kommen die Sortenwahl (sortenrein, gemischter Satz, autochthone Sorten, internationale Sorten ...), das Weingarten-Management (Erziehung, Pflanzdichte, Stockzahl, Alter, Ertragslage …) und die Kellerwirtschaft, beziehungsweise der Ausbau des Weines.
Was kann den Wert des Terroirs schmälern? Zu den Identitätsräubern und somit Verursachern von uniformen Weinen gehört auf jeden Fall die (übermäßige) Aufzuckerung (Chaptalisieren). In den letzten Jahren ist die Methode der Mostkonzentration durch Wasserentzug dazugekommen, weiters technische Mittel der Weinbereitung (Aroma-Hefen, Aroma-Enzyme, ...), die ebenfalls die Herkunft verdecken können. Aber auch zu starker Düngereinsatz oder intensive Bewässerung der Weingärten können sich negativ auswirken. Technologie und Tradition müssen aber nicht in krassem Gegensatz stehen oder einander ausschließen, denn wie in vielen Bereichen ist auch hier überlegter, maßvoller und bedarfsgerechter Einsatz von Methoden geboten.
Dieser Grundsatz sollte auch für die „Flying Winemakers“ gelten, die ihr Wissen von den Weinuniversitäten der Welt und ihre internationalen Erfahrungen in viele Weinländer verbreiten. Darüber sollte aber das Ziel stehen, Terroir zum Hauptaspekt der Produktionsweise zu machen. Dazu gehört, die Kenntnisse der Grundlagen zu vermehren: über die lithologische und bodenkundliche Situation der Weingärten, die Lagencharakteristika und vieles mehr. Denn dort, wo der Wein am besten gedeiht, dort soll er auch kultiviert werden – selbst wenn gerade solche Lagen oft schwierig zu bearbeiten sind. Der Mehraufwand an Handarbeit ist vielfach auch praktizierter Landschaftsschutz. Wenn all das zutrifft, ist die Basis gelegt, Weine nach der Herkunft, nach dem Jahrgang und dem Winzer – „ Heimatweine“ im ursprünglichen Sinn - zu erkennen. Terroir verlangt auf jeden Fall eine hohe Grundqualität, die zur Identität und Unverwechselbarkeit des Produktes, aber auch zu seiner Unterscheidbarkeit und Wiedererkennbarkeit beiträgt.
Viel Theorie, doch wie sehen die Bedingungen für österreichische Terroir-Weine aus? Beginnen wir bei den geographischen und geologischen Voraussetzungen. In der Wachau blieb an den Steilhängen mit den in Handarbeit gefügten Steinterrassen auch eine einzigartige Fauna und Flora erhalten. Zu Recht wurden Steinfeder und Smaragdeidechse zu Symbolen der Wachauer Weinkategorien. Im Kamptal ist es der Heiligenstein mit sonnseitigen Rebhängen, teils auf dem Kristallin der Böhmischen Masse, teils auf paläozoischem Sandstein, Tonschiefer und Kalk. Ganz anders die Landschaft im Kremstal mit tiefgründigen Böden aus Löss, ebenso am Wagram, der markanten Geländestufe gegen das Weinviertler Hügelland. Im Burgenland überrascht der bunte Wechsel der kalkbetonten Hanglagen des Leithagebirges zu Lagen um salzhaltige Lacken oder aus Sanden des Seewinkels, ferner die exponierte Lage des Eisenbergs im Südburgenland. Beeindruckend sind auch die Lagen aus Basalt bei Klöch oder andere Steillagen in der Steiermark.
Bezüglich der klimatischen Voraussetzungen sind in Österreichs Weinbaugebieten starke Unterschiede zwischen dem Nordosten und Südosten erkennbar: ein eher trockenes und warmes bis heißes nordöstlich-pannonisches semihumides Klima einerseits, ein warmes und etwas feuchteres subillyrisches im Südosten andererseits. Große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sorgen für ein ausgeprägtes Aroma der Trauben. Ein sonniger und somit warmer Herbst verlängert die Vegetationsphase der Reben, sodass die Trauben zum einen mit genügend Zuckerbildung ausreifen können, zum anderen sich auch die Fruchtsäure und Tannine harmonisch entwickeln können – im Idealzustand als „physiologische Reife“ bezeichnet.
Als dritter Terroir-Faktor unter vielen sei die Sortenvielfalt der österreichischen Weinlandschaften hervorgehoben. Gerade die autochthonen Rebsorten sind prädestiniert, als Terroir-Weine die regionaltypischen Eigenheiten auszudrücken. Allen voran der Grüne Veltliner, aber auch der Neuburger oder der Rote Veltliner sowie Zierfandler und Rotgipfler in der Thermenregion, bei den Rotweinen der Blaufränkisch, aber auch Zweigelt, St. Laurent und Blauer Portugieser – allesamt ideale Vertreter, der Terroir-Idee Leben zu verleihen.
Österreich kann auf Grund seiner geographischen, klimatischen, geologischen, bodenkundlichen und ampelographischen Voraussetzungen große Terroirweine erzeugen, wie viele kostbare Beispiele beweisen.