Diese künstliche Perfektion ist furchtbar ermüdend und am Ende fühlt man sich nur selbst schlecht, weil es bei einem selbst nicht so aussieht. Was ja völlig okay ist, weil kein normaler Mensch eine halbe Stunde damit verbringt ein Butterbrot schick zu machen...
Foodblogger des Jahres 2017, Bühnenshow – und nun das "Anti-Kochbuch": Was als harmloser Spaß unter Freunden begann – Diestel und Löffelbein schickten sich die "schlechtesten Rezepte per Handy hin und her" – entpuppte sich für die beiden Blogger und Autoren schon bald als großer Erfolg! Im Zuge unseres Interviews verrieten Jonathan Löffelbein & Lukas Diestel, wie sie sich diesen Erfolg erklären, welche Kriterien ein Rezept erfüllen muss, um in die "Rezeptsammlung des Grauens" aufgenommen zu werden, wie es eigentlich mit den eigenen Kochkünsten aussieht & mehr…
Welche Kriterien muss ein Rezept erfüllen, um in die Worst of Chefkoch Sammlung aufgenommen zu werden?
Das ist völlig unterschiedlich und sehr subjektiv. Wir sprechen uns da durchaus ab, wenn es einem von uns abstrus vorkommt, dann wird es auch in die Sammlung aufgenommen. Das kann so ziemlich alles sein: seltsame Zutaten, eine merkwürdige Zubereitung, ein ungewöhnlicher Name, ein furchtbar unästhetisches Rezeptbild, Unmengen Fleisch oder schlicht und einfach sehr ungesundes Essen. Wenn natürlich all das gegeben ist, haben wir einen ganz besonderen Fund.
Begonnen hat es mit dem Hin- und Herschicken der schlechtesten Rezepte per Handy – wie verläuft das "Rezept-Auswahlverfahren" mittlerweile ab?
In der Phase, in der wir sehr schnell gewachsen sind, hatten wir so um die 15 Einsendungen von unseren Followern pro Tag. Da war natürlich einiges doppelt, aber man konnte gut auswählen. Mittlerweile ist es etwas ruhiger geworden, aber wir kriegen immer noch Einsendungen. Einige davon kennen wir natürlich schon. Wir suchen also auch wieder selbst, klicken bei Chefkoch eine halbe Stunde auf den Zufallsknopf oder durchstöbern Listen wie "Einfach (aber) genial".
Ist es mittlerweile schwerer geworden, "passende" Rezepte zu finden?
Wir merken, dass wir die offensichtlichsten zum Großteil schon hatten, aber das ist immerhin das Internet. Es gibt noch genug "dreckige" Perlen, nach denen wir tauchen können.
Haben Sie schon mal eines der Rezepte ausprobiert – und es hat tatsächlich gut geschmeckt?
Ein paar haben wir schon ausprobiert, wir kochen ja auch einige bei unseren Live-Shows nach. Bisher haben wir keines gefunden, das wirklich gut schmeckt, aber auch keines, das wirklich komplett ungenießbar ist. Bis auf vielleicht den Nufleika-Toast (kurz für Nutella, Fleischwurst, Käse). Das schmeckt anfangs einfach nur nach warmer Fleischwurst mit billigem Käse, aber dann grätscht von Hinten diese Nougatcreme rein, und das finden wir beide auf jeden Fall ziemlich eklig. Aber auch was das Rezept betrifft, gibt es immer wieder Leute im Publikum, denen das schmeckt. Und das ist auch völlig okay.
Ihr persönliches Worst of Chefkoch Lieblingsrezept?
Lukas:
die Fußballpizza von "Dragonlord1975". Da werden 750 Gramm Rahmspinat auf einen Fertigpizzateig gekippt, um ein Spielfeld nachzuahmen. Mit Käse wird der Strafraum nachgezeichnet und als Spieler kleine Würstchen in den Spinat gesteckt. Das muss suppen wie sonst was und muss, ehrlich gesagt, ziemlich langweilig schmecken, und das nur, damit es so aussieht wie ein Fußballfeld.
Jonathan:
die Lasagne mit Hühnerherzen, Bananen und Champignons von "floridianerin". Erstens ist diese Mischung sehr abstrus und zweiten braucht dieses Rezept je nach Gewicht zwischen 45 und 90 Hühnerherzen. Das ist einfach eine Menge, die sehr absurd wirkt.
Die Kapitel im Buch sind unterteilt in Vorspeise, Hauptgang, Nachtisch, usw. Wenn Sie ein besonders "schmackhaftes" Menü aus den enthaltenen Rezepten für uns zusammenstellen müssten – wie sähe es aus...?
Vorspeise: Mit Käse überbackener Käse
Hauptgang: Apfelwurst (Fleischwurst, in die mit Senf und Ketchup beschmierte Apfelstücke reingesteckt wurde)
Nachtisch: Weincreme aus der Mikrowelle
Getränk: Draculalikör (40 Knoblauchzehen in Schnaps eingelegt)
...für diese Übersättigung der Instagram-Ästhetik haben wir womöglich ein Ventil gefunden.
Die Rezepte, bzw. Rezeptbilder werden begleitet von Rezeptkommentaren, im Buch jetzt auch inklusive Kochanleitungen. Woher stammen die vielen Ideen dazu – ist das pure Phantasie, oder werden hier druchaus auch eigene, kulinarische Erfahrungswerte "verwurstet"...?
Da ist hoffentlich nichts direkt eine eigene Erfahrung. Aber wir kennen auf jeden Fall das Gefühl, keine Lust auf Kochen zu haben und dann irgendeinen Mist in sich reinzudrücken. Und sich danach noch schlechter zu fühlen. Unsere Texte kreisen um die Absurdität der verschiedenen Rezepte und sind deswegen auch entsprechend absurd. Es gibt Gedichte, kleine Geschichten, Briefe, aber auch schlichte Anweisungen. Alles ist möglich.
Wie sehen eigentlich Ihre eigenen Kochkünste aus...?
Lukas:
ein guter Koch, der, wenn er sich Mühe gibt, zu einem sehr guten Koch werden kann.
Jonathan:
ein mittelmäßiger Koch, der, wenn er sich Mühe gibt und das Rezept gut kennt, auch mal ab und an was sehr gut hinkriegt.
Wie erklären Sie sich den Erfolg Ihres Blogs – wie lautet Ihr "Erfolgsrezept"?
Wir haben da zwei Theorien. Die erste und einfache ist, dass alle Leute selbstverständlich Essen müssen und "schlechtes" Essen daher für viele Leute super leicht nachvollziehbar ist. Die kompliziertere ist, dass die Leute einfach hart übersättigt davon sind, überall das perfekt inszenierte Essen zu sehen. Selbst wenn es nur Spaghetti mit Pesto oder ein Spiegelei ist. Diese künstliche Perfektion ist furchtbar ermüdend und am Ende fühlt man sich nur selbst schlecht, weil es bei einem selbst nicht so aussieht. Was ja völlig okay ist, weil kein normaler Mensch eine halbe Stunde damit verbringt ein Butterbrot schick zu machen. Und für diese Übersättigung der Instagram-Ästhetik haben wir womöglich ein Ventil gefunden.
Gab es schon mal Beschwerden seitens verantwortlicher HobbyköchInnen, weil ihr Rezept "öffentlich bloßgestellt" wurde?
Bisher nicht, nein. Wir wissen nur, dass die User*innen auf Chefkoch.de über uns diskutiert haben. Einige finden uns sehr lustig, andere ganz furchtbar. Beides ist völlig in Ordnung.
Was erwartet die Besucher bei Ihrer Bühnenshow? Gibt es... Kostproben?
Oh ja, es gibt was zu beißen. Man wird zwar nicht satt, aber wenn man möchte, kann man probieren. Unsere Show ist eine Mischung aus Kochen, Lesung und Stand-Up. Wir reden ein bisschen über Worst of Chefkoch, über uns, lesen die Texte im Buch vor, kochen nach und lassen probieren. Aber wir lesen auch andere Texte, die wir den Leuten so mitgeben wollen, die wir unabhängig von Worst of Chefkoch geschrieben haben. Dass wir Foodblogger des Jahres 2017 geworden sind war ja eher ein Zufall und auch ein bisschen ironisch. Wir verstehen uns in erster Linie als Autoren. Dennoch macht uns diese Live-Show ungemein Spaß.
Dürfen wir uns – irgendwann – auf einen Termin in Österreich freuen?
Es gab schon einen Auftritt in Wien, im Cafe Oben. Das war im Mai 2017. Aber wir kommen sicherlich gerne nochmal vorbei, und stehen auch mit Veranstaltern in Kontakt. Das wird bestimmt nochmal passieren.
Foodblogger des Jahres 2017, (Anti-)Kochbuch, Bühnenshow... Was kommt als Nächstes?
Wir haben ein paar Ideen, aber noch nichts handfestes. Jetzt schauen wir erst einmal, was mit diesem Buch passiert. Ob es die Leute mögen oder nicht. Dann schauen wir weiter.
Abschließend eine kurze ichkoche.at-Analyse – hätten auch wir Potenzial für Ihr Erfolgsmodell...?
Tatsächlich gar nicht so sehr. Der Hackfleisch-Pudding klingt fragwürdig, aber leider ist da kein Bild dabei. Und der Rest sieht tatsächlich sehr gut aus.
Vielen Dank für das Interview!
"Worst of Chefkoch – Die Rezeptsammlung des Grauens"
"Antikochbuch"? Das ist auch für uns neu! Wir haben uns Diestels & Löffelbeins Werk genauer angesehen und… sind begeistert! Reinschmökern lohnt sich: