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Heringschmausplatte
Hobby-Koch
4 Sterne
Dass sich das Faschingstreiben in einer verkehrten Welt abspielt, weiß man.
Dass es allerdings so verkehrt enden muss, wie dies heutzutage meistens der Fall ist, lag wohl niemals im Interesse seiner „Erfinder“.
Am Aschermittwoch – neben dem Karfreitag der strengste aller Fasttage – findet nämlich landauf landab eine Veranstaltung statt, die man schlicht und einfach als „Das große Fressen“ charakterisieren könnte, aber in zurückhaltendem Understatement „Heringsschmaus“ nennt.
Der alte „Fastenbrauch“ ist längst keiner mehr. Er wurde nicht nur seines Sinngehalts beraubt, indem der Hering durch Hummer, Kaviar, teure Edelfische und köstliche Fischpasteten ersetzt wurde. Der Fastencharakter ging im Lauf der Zeit endgültig verloren, indem man zwischendurch längst auch Schinken- und Roastbeef-Röllchen, Gänseleberterrinen, Bratenstücke oder überhaupt gleich ein vielgängiges Menü auftischt.
Derlei Exzesse sehen übrigens keineswegs nur die Herren Hochwürden überaus ungern, sondern auch die Ärzte. Denn die Fastenzeit – und das gilt für den Katholizismus ebenso wie für den Buddhismus oder den moslemischen Fastenmonat Ramadan – hat sowohl theologische als auch diätetische und soziologische Wurzeln.
Dass Fisch als Ausnahme von den Fastengeboten galt und gilt, muss nämlich nicht unbedingt als Kompliment verstanden werden. Wenn Askese angesagt war, fiel den Kirchenvätern sofort der Fisch ein, was nicht eben für große geschmackliche Wertschätzung spricht.
Warum gerade der Hering und nicht etwa der Karpfen oder die Seezunge zu der Ehre kam, dem gleichnamigen Schmaus zu seinem Namen zu verhelfen, hängt vermutlich in erster Linie damit zusammen, dass Heringe – im Gegensatz zu heute – lange Zeit als billiges Arme-Leute-Essen, vor allem auch als ein höchst wirksames Mittel der Volksmedizin galten, das gegen vielerlei Krankheiten half. Sogar die Heringsgräten wurden mitgegessen, weil man sich davon eine darmreinigende Wirkung erhoffte – und die war ja am Ende der ausgelassenen Faschingszeit auch tatsächlich vonnöten. Der „ Heringsschmaus“ ist also seiner Idee und seinem Ursprung nach keineswegs ein Schmaus, sondern im Gegenteil eher der Beginn dessen, was wir heute eine Radikal- Diät nennen würden. Berichte über opulente Heringsschmäuse unserer Altvorderen wird man daher auch vergeblich suchen.
Dass aus dem Heringsschmaus allmählich ein Heringskehraus und aus dem Fasten ein Fest wurde, ist keineswegs altes, sondern neues, sicherlich aber nicht christliches, sondern säkularisiertes – man könnte auch sagen: neuheidnisches – Brauchtum. Was als harmloses kleines „Katerfrühstück“ nach einem durchtanzten Faschingsdienstag begann, wurde allmählich – neben Wildwochen, Martinigansl-Schmaus und Spargelessen – zum wichtigsten Ereignis des Küchenjahrs. Gelegentlichen Versuchen kirchlicherseits, den Heringsschmaus vom Aschermittwoch auf den Faschingsdienstag zu verlegen, war nur mäßiger Erfolg beschieden. Und so wird’s wohl auch nicht mehr lange dauern, bis jedermann davon überzeugt ist, dass selbst ein so junger Brauch wie der Heringsschmaus in Wahrheit eine uralte Sitte ist.
Autor: Christoph Wagner
Gehört zu zum Aschermittwoch dazu
Heringskäse kenne ich noch nicht und werde ihn einmal versuchen, ansonsten mag ich Hering sehr gern, da es den bei uns früher immer gab.
interessant
lecker