Dass dem so ist, verdanken die Steirer wie so vieles andere auch dem legendären Erzherzog Johann. Der wegen seiner Volksverbundenheit bis heute populäre jüngere Bruder Kaiser Franz I. startete von seinem Musterlandgut in Pickern bei Marburg - das damals noch zur Steiermark gehörte - nämlich eine umfassende agrarwirtschaftliche Offensive und gilt mit Recht als der Erneuerer der steirischen Landwirtschaft. So experimentierte er in dem damals als „Armenhaus Österreichs“ geltenden Kronland beispielsweise mit der Rinderzucht und darf daher als Vorkämpfer für das mittlerweile berühmte „Styria-Beef“ gelten. Und dass heute in der Steiermark neben großen Obstkulturen auch zahlreiche Feldgemüse wie Käferbohnen, Kren, Kraut, Chinakohl, Tomaten, Kopfsalat, Paprika, Gurken, Radieschen und zahlreiche Heil- und Küchenkräuter gedeihen, darf ebenfalls als spätes Vermächtnis des leutseligen Habsburgers gelten.
Dabei hat man es in der Steiermark geschickt verstanden, agrarischen "Großtechnologien" gezielt aus dem Weg zu gehen. Landwirtschaftliche Klein- und Kleinstbetriebe mit etwa 20 Hektar Nutzfläche überwiegen - und tragen besonders im Süden und Osten des Landes dazu bei, das von den Touristik-Managern verpasste Image einer "österreichischen Toskana" auch tatsächlich zu rechtfertigen.
Was der Toskana ihr "Olio Extra Vergine", das ist der Steiermark zweifellos das aus dem von Christoph Kolumbus nach Europa gebrachten Ölkürbis (Cucurbita pepo) gewonnene Kernöl, das - vor allem als Salatmarinade - zu den Leitmotiven der steirischen Küche zählt und dessen Produktion erstmals 1735 erwähnt wurde.
Aber damit nicht genug. Der türkische "Waiz" oder "Woaz" - wie man hierzulande den Mais nennt - zählt ebenso dazu wie der Buchweizen, die Grundlage des klassischen „Hoadnsterz“ oder Heidensterz, der gerne in Kombination mit der berühmten "Klachelsupp’n", einer gebundenen Suppe mit Schweinshaxeln, serviert wird.
Kulinarisches steirisches "Urgestein" sowie unentbehrlicher Bestandteil jeder steirischen Heurigenjause ist das "Verhackert" aus faschiertem Speck.
Und bereits in der Donaumonarchie legendär waren die wohl gemästeten steirischen Poularden, die auch heute noch die Grundlage für das geradezu als Nationalkost geltende schmalzgebackene "Backhendl" bilden, bei dem obligatorisch auch die Innereien mitserviert werden müssen.
Das "steirische Klima" erwies sich besonders während der letzten beiden Jahrzehnte als in kulinarischer Hinsicht äußerst ergiebig. Nicht zufällig nahm die Erweckung der österreichischen Käsekultur aus einem jahrhundertelangen Dornröschenschlaf nicht von Tirol oder Vorarlberg, sondern - mit hervorragenden Produkten wie Steirerkas, Trautenfelser Blauschimmelkäse oder Gaishorner Emmentaler - von der Steiermark ihren Ausgang. Und ebenfalls nicht zufällig heißt Österreichs heute wohl weltweit berühmtestes Feinschmecker-Restaurant, auch wenn es (vom Steirer Heinz Reitbauer) in Wien geführt wird, kurz und bündig "Steirereck."
In diesem insgesamt recht steiermark-freundlichen Klima konnten während der letzten Jahre auch hoch qualitative Produkte entstehen. Sulmtaler Lämmer und Forellen sind ebenso zum Begriff geworden wie süd- oder weststeirische Karpfen, Amure, Welse, Schleien und Hechte, zu deren Förderung in Deutschlandsberg sogar ein eigener "Verband der Teichwirte" gegründet wurde.
An typisch steirischen Gerichten herrscht bei einer solchen Produktpalette also kein Mangel. Und dass Graz bereits im 17. Jahrhundert als Zentrum der Kochbuch-Literatur galt - hier wurde 1686 das berühmte "Grätzerische Kochbuch" verlegt - tat ein Übriges dazu, dass simple Bauernküche und gutbürgerliche urbane Kochkunst einander nicht im Weg standen, sondern sich gegenseitig befruchten konnten.
Vor allem ist es jedoch der steirische Wein der die steirische Küche nicht nur inspiriert, sondern ihr auch bis nach Kalifornien und Hongkong internationales Ansehen verschafft hat. Trotz seiner geringen Ertragsfläche bringt das steirische Weinland im Südosten immer wieder internationale Spitzenkreszenzen der Sorten Sauvignon Blanc, Morillon und Traminer hervor. Die Weststeiermark wiederum ist für den autochthonen, so säurestarken wie zwiebelfarben schillernden Schilcher aus der Blauen Wildbacherrebe berühmt, der gemeinsam mit dem Kernöl zu den wesentlichen Lebenssäften der Steiermark zählt, zu denen sich in letzter Zeit auch noch ein dritter gesellt hat: der edle Obstbrand, der nach einer echten steirischen Mahlzeit allein schon deswegen unerlässlich ist, weil in der Grünen Mark, aller Verfeinerung zum Trotz, halt immer noch deftig, würzig und steirisch gekocht wird.