Mit seiner Philippine pflegte Ferdinand im 16. Jahrhundert im unmittelbar an einer alten Heerstraße und Nord-Süd-Handelsroute gelegenen Renaissanceschloss Ambras bei Innsbruck eine besonders opulente Hofhaltung. Und Frau Philippines Kochkünste trugen gewiss das Ihrige dazu bei, dass es damals bei den Adelsgeschlechtern in ganz Europa als besondere Auszeichnung galt, in Innsbruck zu Gast sein zu dürfen. Mit ihren Rezepten hielt Philippine Welser dabei offenbar nicht hinter dem Berg, sondern gab sie freigebig im blaublütigen Freundeskreis weiter, was in der Folge dazu führte, dass Gerichte „à la tyrolienne“ bald auch an vielen europäischen Fürstenhöfen als „dernier cri“ galten und - wie etwa die weltberühmte Tiroler Leber oder die Sauce tyrolienne - sogar Einzug in Escoffiers Kanon der klassischen Küche hielten.
Erstes österreichisches Kochbuch
Doch nicht nur die internationale, sondern auch die österreichische Küche hat Philippine Welser maßgeblich beeinflusst. Verfasste sie doch das erste österreichische Kochbuch, eine handschriftliche Rezeptsammlung, die heute in der Wiener Nationalbibliothek aufbewahrt wird und neben Kochrezepten auch zahlreiche diätetische Hinweise und Anleitungen zur Herstellung von Arzneien enthält.
Trotzdem ist die Tiroler Küche, bei aller aristokratischen Abstammung, letztlich eine bäuerliche geblieben, auch wenn diese in den 60er und 70er Jahren unseres Jahrhunderts schon beinahe im Aussterben begriffen schien. Erst Ende der 80er Jahre hörte man da und dort plötzlich wieder das alte Sprichwort: „Nudeln, Nocken, Knödeln, Plenten - das sind die vier Tiroler Elementen.“ Und erst in den Neunzigern führte das neu erwachte Interesse an unverfälschten kulinarischen Traditionen dazu, dass heute wieder auf vielen Speisekarten althergebrachte Gerichte wie Plenten (Polenta), Schwarzplenten (Buchweizen), Tirggelen (Maissterz), Huniknudai (Honignudeln), Türteln (Teigtascherln), Schlutzer oder Moosbeernokken stehen.
Typische Tiroler Küche - das ist jedoch auch der „schwarz geselchte“ (=geräucherte) Speck, der für gewöhnlich auch die Grundlage für den berühmten Tiroler Knödel bildet, ein Kloß aus altbackenen Brötchen mit klein gehackten Rauchfleischwürfeln. Den Ehrentitel eines „ Nationalgerichts“ muss dieser sich allerdings mit dem berühmten „Tiroler Gröscht’l“ teilen, einem in der Stielpfanne zubereiteten Allerlei aus Schweinsschulter, Kalb- oder Rindfleisch, Zwiebeln, Majoran und Kartoffeln.
Durch den EU Beitritt Österreichs sind Nord- und Osttirol, die nach dem Ersten Weltkrieg von Südtirol getrennt wurden, auf erfreuliche Weise auch in kulinarischer Hinsicht wieder mit Südtirol „ zusammengewachsen“, wobei die Südtiroler Küche mittlerweile viele italienische Einflüsse in die klassische Tiroler Küche eingebracht hat.
In allen Teilen Tirols zählt die „Marenten“ oder „Marende“ - die Jause - zu den wichtigsten Mahlzeiten des Tages. Speck und Schnaps, etwa ein Enzian, Obstler oder Vogelbeer aus dem so genannten „Budele“, gehören ebenso dazu wie Käse, der im milchwirtschaftlich orientierten Tiroler Gebirgsland seit vielen Jahrhunderten eine ganz besondere Rolle spielt.
Eine typische Spezialität, die sich in ganz Tirol größter Wertschätzung erfreut, ist der Graukäse. Er wird nach einem alten Bauernrezept, das auch heute noch auf manchen Höfen hochgehalten wird, durch Erhitzen des Topfens von sauer gewordener Magermilch zubereitet. Mit Essig, Öl und Zwiebeln abgemischt, kann eine Portion Graukäse allerdings nicht nur eine Jause, sondern auch eine komplette Mahlzeit sein.
Die neue Freude an alten Rezepturen hat in Tirol dazu geführt, dass man sich auch bei den Grundprodukten wieder aufs Bodenständige besann: Tuxer Ochsen, Tannheimer Berglamm, Achensee-Saiblinge, Speck und Kaminwurzen (Dauerwürste) aus Pians, Marmeladen aus dem Unterinntal oder der bekannte Weltmeister-Emmentaler aus Hatzenstädt bei Kufstein - das alles spiegelt das Bild einer durchaus lebendigen kulinarischen Landschaft wider. Die zahlreichen meist noch in ihrer alten Bausubstanz erhaltenen historischen Gasthöfe Tirols werden somit - nach einer längeren Durststrecke - endlich wieder mit neuem Leben erfüllt.
Da Nordtirol - abgesehen von einem kleinen Weinberg bei Zirl - keinen eigenen Weinbau betreibt, stehen österreichische Weine aus der Wachau oder dem Burgenland mittlerweile in recht produktiver Konkurrenz zu den Kreszenzen des Weinlands Südtirol, das gerade in den letzten Jahren auch auf den internationalen Weinbörsen zunehmend mehr von sich reden macht.
Die Nordtiroler ziehen dem Wein jedoch zweifellos den Gerstensaft vor - sie zählen gemeinsam mit den Iren zu den mächtigsten Biertrinkern der Welt. Profiliert hat sich Tirol darüber hinaus auch auf dem Schnapssektor, wobei der Bogen von einfachen Bauernbränden wie dem „Pregler“ oder dem aus weißen Rüben hergestellten „Wildschönauer Krautinger Schnaps“ bis hin zu hoch qualitativen Edelbränden reicht, die ein „Menu à la tyrolienne“ in perfekter Weise abschließen.