Foto: Christoph Wagner
Süße Fastenbrezel
Hobby-Koch
4 Sterne
Die Fastenzeit, ein jeder weiß es, wurde schon einmal strenger eingehalten als dies heute der Fall ist. Es gab Zeiten, da durfte in manchen Ländern das Wort „Fleisch“ nicht einmal ausgesprochen werden. Die Kirche selbst rang sich erst 1491 zur Erlaubnis von Milch- und Butterspeisen sowie Eiern während der Fastenzeit durch und öffnete damit den Weg zu mancherlei schmackhaftem „ Fastenteig“.
Überhaupt waren die Gottesmänner um spitzfindige Ausnahmen nicht verlegen. Und wem das Fasten überhaupt nicht zusagte, der konnte dem Herrgott bzw. dessen Stellvertretern auf Erden durch viele Gebete und noch mehr Geld schlicht und einfach alles und jedes abkaufen. Heute erinnert an derlei Fastenbräuche nicht mehr allzuviel. Und manches, das ursprünglich die Aufgabe hatte, das strenge Fasten einigermaßen erträglich zu machen, gilt mitunter sogar als „kleine Sünde“ - allerdings nicht gegen den lieben Gott, sondern gegen die Gebote des Hausarztes.
Eine alte Fastenspeise, auf Jahrmärkten und in Bierzelten aller Art nicht minder vertreten, ist die Brezel. Sie hat in rund anderthalb Jahrtausenden einen bemerkenswerten Sprung vom Fastengebäck zum - vor allem in den USA verbreiteten - Fast Food geschafft. Ihr Ursprung geht, zumindest der Legende nach, auf einen ungenannten Mönch mit beachtlichen pädagogischen Fähigkeiten zurück. Er soll es nämlich gewesen sein, der bereits im Jahre 610 erstmals einen Brotteig zu einer langen Wurst drehte und daraus die charakteristische Doppelschlinge formte. Mit diesem Backwerk pflegte der findige Gottesmann dann jene Kinder zu belohnen, die brav ihre Gebete auswendig gelernt hatten.
Das enge historische Nahverhältnis der Brezel zu Gebet, Askese und Fastenzeit läßt darauf schließen, daß dieses alte Brauchtumsgebäck möglicherweise noch älter ist als unser klösterlicher Kinderfreund. Manches spricht sogar dafür, daß die Brezel als Ersatz für heidnischen Totenschmuck kreiert wurde. Das Copyright an den Brezeln wird dennoch nicht nur von Fastenpredigern und Totengräbern beansprucht. Im mittelalterlichen Württemberg soll beispielsweise einmal ein Bäcker zum Tode verurteilt und - nachdem er bei seinem Landesherrn ein letztes Gnadengesuch eingereicht hatte - vor die Alternative gestellt worden sein, entweder zu sterben oder ein Gebäck zu erfinden, durch das die Sonne dreimal scheinen könne. Der Bäcker ließ sich das nicht zweimal sagen, und die Brezel war - wieder einmal - geboren.
Mit der Fastenzeit hat diese Legende gewiß wenig zu tun. Doch lebensrettend ist eine saftige oder knusprige Brezel für jemanden, der Hunger hat allemal - und genau der sollte sich in der Fastenzeit ja irgendwann einstellen.
Autor: Christoph Wagner
Fastenbrezeln gibt's bei uns sogar in der Firma...toller Brauch!
sehr netter Beitrag